Tod auf See : Eine Horrorgeschichte, wie sie niemand erleben möchte
Morten Strauch
· 04.02.2023
Das Unglück, das sich auf der 66-Fuß-Yacht „Escape“ ereignet hatte, erschütterte im vergangenen Sommer die internationale Blauwasserszene. Freunde und Familie ließ es fassungslos zurück. Binnen weniger Sekunden waren nacheinander erst Annemarie A.-F. und dann ihr Ehemann Volker F. während eines Reffmanövers von der im Sturm umherschlagenden Großschot so schwer getroffen worden, dass beide nach dem Abbergen auf dem Weg ins Krankenhaus ihren Verletzungen erlagen.
Lange Zeit blieb völlig unklar, was genau sich im Juni 2022 auf der „Escape“, die auf dem Weg von den Bermudas nach Nova Scotia war, zugetragen hatte. Bis plötzlich Wochen später ein ausführliches Protokoll auf einer US-amerikanischen Webseite erschien. Beinahe minutengenau sind darin die Ereignisse festgehalten, die zu dem Unfall führten.
Die Angaben beruhen maßgeblich auf den Aussagen zweier überlebender Crewmitglieder, die das Eignerpaar zur Unterstützung an Bord genommen hatte, sowie auf Informationen der US-Küstenwache. Danach haben sich die beiden Mitsegler nicht wieder öffentlich zu Wort gemeldet und auch keinen Kontakt mit den Hinterbliebenen aufgenommen. Und auch die Küstenwache sowie weitere an den Rettungsmaßnahmen beteiligte Organisationen in den USA und Kanada hüllen sich bis heute größtenteils in Schweigen. Ob dies aus Rücksicht auf die Überlebenden geschieht oder aber aus Sorge vor möglichen Schadensersatzklagen seitens der Hinterbliebenen ist unklar. Nachfragen bei den direkt Beteiligten zu den Geschehnissen vor und in der Unglücksnacht jedenfalls sind unmöglich.
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Dennoch lassen das vorliegende Protokoll ebenso wie die Aussagen von Experten, die mit dem Fall zu tun hatten, eine vorsichtige Einordnung der Ereignisse zu. Denn neben dem Bedürfnis nach Information geht es bei der Aufarbeitung auch darum, welche Lehren sich ableiten lassen, um ähnliche Unglücke in der Zukunft vermeiden zu können.
Bilder anderer CNB 66
Die Chronologie des Unglücks
Die nachfolgende Schilderung der Ereignisse, die sich auf der „Escape“ zugetragen haben, basiert im Wesentlichen auf den Aussagen der zwei überlebenden Besatzungsmitglieder sowie von Angehörigen der US-Küstenwache. Sheldon Stuchell hat sie für das US-Segelmagazin „Bluewater Sailing“ aufgeschrieben. Stuchell, selbst Blauwasser-Segler sowie Direktor der Salty Dawg Sailing Association, ist der einzige Privatmann, dem sich die Crew, deren Namen nicht genannt werden sollen, anvertraut hat. Die in seinem Bericht genannten Zeitangaben sind Ortszeit.
9. Juni, 10.00 Uhr
Die „Escape“ verlässt die Bermudas wie geplant. Nach der Passage des Town Cut Channels werden bei 15 Knoten Wind Großsegel und Genua gesetzt – Kurs Nord. Die 66-Fuß-Yacht hat einen leistungsstarken Segelplan, der von einem Carbon-Mast und einem V-förmigen Rollbaum aus Carbon getragen wird. In den ersten 24 Stunden werden fast 200 Seemeilen vor dem Wind zurückgelegt. Noch drei bis vier Tage bis Nova Scotia. Um den Baum zu sichern, wird ein Bullenstander gefahren, der zu einer Winsch im Cockpit zurückgeführt wird. Zu Trainingszwecken schaltet der zweite Steuermann am ersten Tag den Autopiloten für ein paar Stunden aus, um ein Gefühl für die Doppelrudersteuerung der „Escape“ zu bekommen.
9./10. Juni, nachts
Während der Wache von Volker F. ziehen einige Sturmböen durch, und es kommt zu einem Sonnenschuss. Daraufhin ruft F. die Crew an Deck und weist die Stationen zu. Es ist das erste Mal, dass sie als Team reffen müssen: Alles verläuft reibungslos und schnell. Annemarie A.-F. wird die Großschot zugewiesen, ein Crewmitglied übernimmt das Ruder, der Skipper rollt das Großsegel ein. Die Großschot ist im Cockpit vor den Steuerrädern angeschlagen, läuft zum Baum hinauf und wieder hinunter zu einem Block und von dort auf eine zentrale E-Winsch.
10. Juni, morgens
Die Crew bindet trotz stabiler Lage bei 25 Knoten Wind ein zweites Reff ein. Es regnet stark und blitzt in der Ferne. Auch dieses Mal verläuft das Manöver ohne Probleme. Um das Großsegel zu reffen, muss Volker F. nach vorn zum Mast der „Escape“, wo die E-Winsch für das Großfall und die elektrischen beziehungsweise die hydraulischen Bedienelemente für die Rollbaumanlage und den Baumniederholer positioniert sind. Wie bei den meisten Segelyachten muss die „Escape“ in den Wind gedreht werden, um das Großsegel zu setzen oder zu bergen. Der zweite Steuermann führt bei jedem Reffvorgang das Steuer, während Annemarie A.-F. die Großschot bedient.
10./11. Juni
In den nächsten 24 Stunden herrschen deutlich moderatere Bedingungen mit achterlichen Winden zwischen 10 und 18 Knoten. Es wird ausgerefft, und zur Unterstützung läuft sogar die Maschine für einige Stunden mit. Volker F. lädt via Iridium Go das Wetter von PredictWind herunter und kommuniziert per E-Mail mit seinem Wetterrouter in Deutschland. Nach zweieinhalb Tagen entsprechen Wetter und Törnverlauf genau den Vorhersagen; die „Escape“ liegt gut im Zeitplan.
11. Juni, früher Abend
Die Wettervorhersage kündigt an, dass gegen Mitternacht die Windstärke auf 12 Knoten fallen soll, Tendenz weiter fallend.
Angesichts mehrerer zuvor problemlos durchgeführter Reffmanöver mangelte es der Crew nicht an Routine
11. Juni, 21.00 Uhr
Nach Sonnenuntergang übernimmt ein Crewmitglied die Wache von 21.00 bis 1.00 Uhr. Bei 18 bis 20 Knoten Wind macht die „Escape“ unter weiterhin vollen Segeln gute neun Knoten Fahrt. Volker F. geht unter Deck, um sich für seine Wache von 1.00 bis 5.00 Uhr auszuruhen.
11. Juni, 22.00 Uhr
Der Wind frischt auf 25 Knoten auf, in Böen erreicht er fast 30 Knoten. Die Crew und Annemarie A.-F. beschließen, ihren Mann zu wecken, um erneut zu reffen. Die „Escape“ wird in den Wind gedreht. Die Besatzung refft routiniert, wie sie es nun schon fünfmal praktiziert hat. Volker F. geht zurück in seine Kabine, und die Crew segelt noch etwa eine Stunde lang weiter.
11. Juni, kurz vor Mitternacht
Die Windstärke nimmt entgegen den Vorhersagen stetig zu und erreicht 30 bis 35 Knoten. Der Seegang steigt auf etwa sechs Meter Wellenhöhe. Das Schiff befindet sich zu diesem Zeitpunkt im Golfstrom etwa 350 Seemeilen südlich von Nova Scotia. Die „Escape“ surft mit 13 Knoten die Wellen herab. Starker Regen setzt ein. Erneut ruft die Besatzung den Skipper. Als Volker F. an Deck eilt, fällt eine 40-Knoten-Bö ein. Das Schiff droht in den Wind zu schießen. Der Steuermann legt hart Ruder und versucht, Kurs zu halten. Die „Escape“ krängt so stark, dass die Reling fast durchs Wasser zieht.
Auf das Kommando des Skippers soll das Großsegel bis zum zweiten Reff gesetzt werden. Der Motor wird angelassen, und alle nehmen ihre Positionen ein. Der Rudergänger steuert in den Wind. Die Wellen, die jetzt fast acht Meter hoch sind, schlagen übers Deck, der Bug hebt und senkt sich dramatisch. Die Wellen treffen das Schiff zudem aus verschiedenen Richtungen. Volker F. beginnt die Genua einzurollen, bevor er das Großsegel verkleinern will. Seine Frau steht zwischen der Großschot-Winsch und den Steuerständen und klariert die Großschot.
Als die „Escape“ in den Wind kommt, bemerkt der Steuermann, dass der Baum nicht wie üblich zentriert ist. Bei den Reffmanövern zuvor war die Großschot dichtgeholt worden, während das Schiff in den Wind drehte. Nun aber beginnt der Baum gefährlich zu schwingen. Volker F. ruft seiner Frau auf Deutsch Anweisungen zu, welche die nicht deutsch sprechende Crew nicht verstehen kann. Dann läuft er zur Großschot, um Annemarie A.-F. zu assistieren. Seine Frau geht, um ihm Platz zu machen, in Richtung der Winschen an Backbord. Als die „Escape“ im Wind stark überholt, schlägt der Baum von Steuerbord nach Backbord. Die Großschot trifft Annemarie A.-F. am Rücken und stößt sie auf den Cockpitboden.
Sofort läuft Volker F. zu seiner Frau. Ein Crewmitglied schreit warnend, dass der Baum zurückschwingt. Kurz darauf trifft auch Volker F. die Großschot und schleudert ihn auf die Steuerbordseite. Beim Sturz bricht er sich das linke Bein unterhalb des Knies mehrfach. Innerhalb von zehn Sekunden ist das Skipperpaar schwer verletzt. Als der Baum erneut hin und her schlägt, bricht die Großschot und zu einem nicht bekannten Zeitpunkt danach der Bullenstander. Der Baum schwingt von da an unkontrolliert von einer zu anderen Seite.
12. Juni, nach Mitternacht
Die Crew kriecht in Deckung und zieht Annemarie A.-F. aus der Gefahrenzone in den Sitzbereich des Cockpits, um sie dort in eine möglichst ruhige und stabile Lage zu bringen. Lose und gebrochene Leinen peitschen währenddessen umher. Auch Volker F. wird weiter aus dem Gefahrenbereich gezogen. Einer der Mitsegler beginnt sofort mit Erster Hilfe für den Skipper, indem er einen Gurt von einer Rettungsweste nimmt und damit einen Druckverband über dem Knie anlegt, um die Blutung zu stillen. Der andere eilt nach unten, um medizinische Ausrüstung und die Epirb zu holen. Nach dem Auslösen der Epirb wird der Unterschenkel des Skippers verbunden und danach über UKW-Kanal 16 ein Mayday-Ruf abgesetzt.
Da kein Schiff auf dem AIS zu sehen ist und auch keine Antwort auf den Notruf eingeht, aktiviert Volker F. zusätzlich das Satellitentelefon. Als es ihm gelingt, Kontakt zur Küstenwache aufzunehmen, übergibt er das Telefon an ein Besatzungsmitglied. Dieses wickelt von nun an die weitere Kommunikation vom Niedergang aus ab. Es wird um eine sofortige medizinische Evakuierung der Verletzten gebeten. Zudem wird ein Zeitplan für Updates erstellt, um die Retter über Seegang, Windgeschwindigkeiten, Bootsgeschwindigkeit, Koordinaten und medizinische Belange auf dem Laufenden zu halten.
Unterdessen ist die „Escape“ weiterhin außer Kontrolle. Genua und Groß flattern wild. Der schlagende Baum senkt sich ab und streift zunächst das Bimini, bis er schließlich dessen Metallrahmen zerdrückt und verformt. Als der Baum abermals nach Backbord schwingt und in die Wanten schlägt, gelingt es der Crew, das Boot vor den Wind zu legen, um den Baum an den Wanten zu halten. Mit dem Wind nun im Rücken kommt eine gewisse Stabilität ins Boot, wobei der Baum gelegentlich in die Wellen eintaucht und zurück gegen die Wanten geworfen wird.
12. Juni, ca. 1.00 Uhr
Einem Besatzungsmitglied gelingt es, zu den steuerbordseitigen Winschen zu kriechen und die zerrissene Genua zu bergen. Zurück am Ruder, steuert es fast drei Stunden lang vor dem Wind. Das andere kümmert sich um das Skipperpaar. Der heftige Regen, Wind und Seegang halten an. Die „Escape“ befindet sich nunmehr fast 400 Seemeilen vor der Küste und fährt mit 10 Knoten. Wind und Golfstrom versetzen das Boot zusätzlich ostwärts. Über Satellitentelefon wird Kontakt mit der US-amerikanischen sowie der kanadischen Küstenwache in Halifax gehalten.
Glücklicherweise ist ein Patrouillenboot der US-Küstenwache gerade unterwegs vor der Nordostküste der USA, wenn auch mehr als einen Tag von der „Escape“ entfernt. Da es genügend Kerosin an Bord hat, läuft es eine Position an, an der es als Zwischenstopp für einen Rettungshubschrauber dienen kann, der dort in beide Richtungen fliegend auftanken kann. Mit nur einer Tankfüllung wäre die Reichweite eines Hubschraubers nicht groß genug, um zur „Escape“ und wieder zurück zu fliegen. Die Crew legt derweil mit Hilfe eines Zeisings einen weiteren Druckverband um das Bein von Volker F. Bei Annemarie A.-F. wird eine Verletzung der Wirbelsäule befürchtet. Der Skipper gibt weiterhin Hilfestellung, so gut er kann, während die Crew dafür sorgt, dass beide wach bleiben sowie Wasser und mentalen Zuspruch bekommen.
12. Juni, 2.00 Uhr
Der Wind flaut kurzzeitig auf 15 Knoten ab. Es wird der Versuch unternommen, auf dem Vormwind-Kurs das Großsegel zu verkleinern. Der Winddruck ist jedoch zu groß, das Segel verklemmt sich nach etwa einem Meter in der Rollbaumvorrichtung und lässt sich nicht weiter einholen. Am Großsegel hängend, gelingt es, einen weiteren Meter Segel herunterzuziehen, wodurch sich die Segelfläche weiter verringert. Daraufhin wird das Schiff mit voller Motorleistung in den Wind gesteuert, um den freischwingenden Baum provisorisch zu sichern. Nach mehreren Versuchen gelingt es, ihn in einer zentrierten Position mit mehreren Leinen festzulaschen. Ab diesem Zeitpunkt ist die „Escape“ behelfsmäßig unter Kontrolle. Der Kurs wird nach Westen geändert, in Richtung Land. Die US Coast Guard wird über den neuen Kurs unterrichtet.
12. Juni, 6.00 Uhr
Ein vorab entsandtes C130-Flugzeug der US-Küstenwache erreicht den Schauplatz, um via UKW eine klare Kommunikation zwischen der „Escape“ und dem nachfolgenden Rettungshubschrauber herzustellen. Auf Anweisung wird das Deck geräumt, und es werden Updates über den Seegang, die Windgeschwindigkeit, den Status des Bootes, den Baum, das Großsegel und den Zustand der Verletzten übermittelt.
12. Juni, 6.30 Uhr
Der Hubschrauber trifft mit zwei Tauchern an Bord ein. Der Bootsmotor wird zur Sicherheit der Taucher abgestellt und die Badeplattform abgesenkt. Die Taucher springen aus dem Hubschrauber, schwimmen zum Boot, steigen am Heck ein und beginnen mit der medizinischen Versorgung des Skipperpaares. Die Schwerverletzten werden dann mit Rettungskörben abgeborgen. Die Besatzung beschließt, an Bord der „Escape“ zu bleiben, um die Rettungsmaßnahmen nicht zu verzögern. Beim Abflug des Hubschraubers wird die Crew angewiesen, einen Kurs von 300 Grad anzulegen, um auf das Schiff der US Coast Guard zu treffen. Auf dem Weg dorthin flaut der Wind ab und der Seegang beruhigt sich – viel später, als ursprünglich vorhergesagt.
12. Juni, 15.45 Uhr
Per Satellitentelefon wird die Besatzung informiert, dass Volker F. und Annemarie A.-F. ihren schweren Verletzungen erlegen sind. Die Eignerin sei bei der Ankunft auf dem Schiff der Küstenwache, der Skipper während des Hubschraubertransports vom Patrouillenboot zum Krankenhaus gestorben. Beide werden im Krankenhaus in Massachusetts für tot erklärt.
12. Juni, 16.45 Uhr
Die „Escape“ trifft etwa 350 Seemeilen vor der Küste mit dem Schiff der US-Küstenwache zusammen. Die Crew wird übergesetzt, die Segelyacht auf See aufgegeben.
So weit das Protokoll. Es bleiben aber offene Fragen.
War das Wetter wirklich so hart?
Einschätzungen von wetterprofi sebastian wache.
Wie haben Sie den Skipper auf den bevorstehenden Törn von den Bermudas nach Nova Scotia wettertechnisch vorbereitet?
Wir wollten den ersten Tropensturm „Alex“, der am 5./6. Juni vom Golf von Mexiko in Richtung Bermudas zog, passieren lassen, um mit den moderaten Südwestwinden des abziehenden Sturmtiefs raumschots nach Nordost segeln zu können. Der genaue Startzeitpunkt lag dann in der Verantwortung des Skippers, abhängig von den lokalen Bedingungen.
Hatten Sie danach noch einmal Kontakt?
Nach zwei Tagen auf See lieferten wir ein Wetter-Update, auf dessen Grundlage wir eine Kursänderung auf Nordwest vorschlugen, um neuen Tiefs aus Kanada kommend so gut es ging auszuweichen. Die Wetterlage wurde zu diesem Zeitpunkt schlechter, und wir hatten Böen von 30 bis 35 Knoten prognostiziert, die in Schauern oder Gewittern auch stärker einfallen konnten. Die Strategie war, am 11./12. Juni durchzustechen, um innerhalb weniger Stunden wieder in den Hochdruckeinfluss zu gelangen.
Bestand aufgrund der Wetterprognose Anlass zur Sorge?
Für einen erfahrenen Skipper mit Crew waren die vorhergesagten Bedingungen anspruchsvoll, lieferten aber keinen Grund zur Sorge. Volker F. hatte mit dem Schiff während unserer Zusammenarbeit schon ähnliche Wetterlagen gemeistert. Zudem hätte die „Escape“ das angekündigte Schlechtwetter-Fenster schnell passieren können.
Was ist aus Ihrer Sicht dann passiert?
Die „Escape“ geriet in der Nacht vom 11. auf den 12. Juni dicht an ein Randtief, ein kleinräumiges Tiefdruckgebiet, das sich aus den Verwirbelungen eines Haupttiefs entwickeln kann. Dadurch kam es zu drehenden Winden und überlagerten Wellenbildern, gepaart mit Schauern, vereinzelten Gewittern und kräftigen Böen. Auch der Golfstrom wird zu der kabbeligen See beigetragen haben. Beim Reffmanöver kam es dann zu dem schrecklichen Unfall.
Im Nachhinein betrachtet: Wurde die Wetterlage unterschätzt?
Da wir mit dem Skipperpaar viel Kontakt hatten, ging uns diese Tragödie sehr nahe. Wir haben im Nachgang alles intensiv aufgearbeitet und hin und her überlegt, was man hätte anders machen können oder ob wir gar etwas übersehen hatten. Der Wetterverlauf entsprach jedoch exakt unseren Vorhersagen. Einzig die Kommunikations-Frequenz hätte erhöht werden können, aber das muss vom Skipper ausgehen, da es sich auch um eine Kostenfrage handelt. Am Fahrplan hätte dies jedoch nichts geändert.
Können aus dieser Tragödie Lehren gezogen werden?
Professionelles Wetterrouting ist heutzutage ein wichtiger Bestandteil der Navigation auf hoher See. Wir können gute Prognosen abgeben und Tipps für den Routenverlauf. Die Verantwortung liegt aber letztendlich immer beim Skipper, der in diesem Fall aus meteorologischer Sicht allerdings auch nichts falsch gemacht hat.
Hatte die Crew ausreichend Erfahrung?
Volker war ein sehr umsichtiger Segler.” (Mareike Guhr)
“ Ich habe Annemarie und Volker während meiner Berichterstattung über die ARC 2019 in Las Palmas kennengelernt. Im Ziel auf Saint Lucia haben wir uns wieder getroffen und angefreundet. Sie waren ein besonders gastfreundliches und herzliches Paar mit vielen sozialen Kontakten, und wir haben uns über die Jahre immer wieder an verschiedenen Ankerplätzen verabredet und einige schöne Erlebnisse geteilt.
Im Sommer 2021 haben die beiden mich auf ihrer ,Escape ’ für zehn Tage mitgenommen. Gemeinsam sind wir die USamerikanische Ostküste hinaufgesegelt. Das Schiff habe ich als ziemlich massiv und beeindruckend in Erinnerung, von kleiner Crew gerade noch beherrschbar. Volker war ein sehr erfahrener und umsichtiger Segler, der sein Schiff beherrschte und immer bestens pflegte. Das Unglück ging mir sehr nahe, und es ist noch immer so unfassbar, dass es schwerfällt, darüber zu reden. Wie alle bin ich sehr enttäuscht, dass die Überlebenden sich nie bei der Familie gemeldet haben, um die Geschehnisse erklärbarer zu machen und Spekulationen zu vermeiden. Ich vermute, sie wollen sich nicht angreifbar machen.
Diese Verkettung unglücklichster Umstände sollte für alle Segler eine Erinnerung sein, dass draußen auf hoher See eine Rettung unter Umständen langwierig und kompliziert ist. Ich wünsche mir, der Segler-Community und natürlich der Familie, dass Annemarie und Volker in guter Erinnerung bleiben – wir vermissen sie sehr. ”
Wie wurde die „Escape“ gefunden?
Am 14. Juni wurde der Grünwalder Bootsversicherungsmakler Bavaria, über den die Yacht versichert war, über das Unglück informiert. In Zusammenarbeit mit dem Hamburger Yacht-Consulting-Büro Zucker & Partner koordinierte man die Suche nach der aufgegebenen „Escape“. Die erste mit einem Fischtrawler durchgeführte Suchaktion, die sich auf Informationen der US-Küstenwache stützte, musste nach einer Woche ergebnislos abgebrochen werden. Das Suchgebiet hatte sich als viel größer erwiesen als angenommen.
Nun wurde PAL Aerospace eingeschaltet, ein kanadisches Unternehmen, das unter anderem eine Abteilung unterhält, die sich mit Driftparametern von Eisbergen beschäftigt. Ausgehend von der letzten bekannten Schiffsposition, berechneten die Spezialisten, wohin die „Escape“ voraussichtlich getrieben war, nachdem das Skipperpaar abgeborgen und später die überlebende Crew auf das Schiff der Küstenwache übergestiegen war. Der Trawler erhielt die entsprechenden Koordinaten, zusätzlich wurde ein Flugzeug von St. Johns auf Neufundland aus losgeschickt, um die Aktion aus der Luft zu unterstützen.
In der Nacht auf den 22. Juni stießen die Berger tatsächlich auf die „Escape“ – ziemlich genau dort, wo die Driftspezialisten sie vermutet hatten. Das teils herabgezogene Großsegel war noch gesetzt, aufs Heck hatten die Retter der Küstenwache zehn Tage zuvor das Kürzel USCG für United States Coast Guard gesprayt. Bei Anbruch des nächsten Tages setzte eine dreiköpfige Crew über, um das Boot zu inspizieren und es anschließend nach Dartmouth Cove in Nova Scotia zu überführen. Dort wird es repariert und soll anschließend ins Nachlassvermögen für die Hinterbliebenen einfließen.
War es schlechte Seemannschaft?
Nachdem das Protokoll des Augenzeugenberichts in den USA veröffentlicht worden war, keimten im Internet Diskussionen auf, ob die Crew der „Escape“ das Reffmanöver nicht hätte anders – sicherer – durchführen können. Und zwar vor dem Wind segelnd, statt das Boot klassisch in den Wind zu steuern. Die Gründe für ein Reffen mit ausgebaumtem Groß vor dem Wind scheinen plausibel: Das Schiff bleibt auf stabilem Kurs, statt gegen Wind und Welle zu stampfen. Weder Baum noch Fock werden zur Gefahr für die Crew, insbesondere dann nicht, wenn ein Bullenstander gesetzt wird. Selbst wenn das Segel dabei an den Wanten oder an der Saling klebe, ließe es sich in der Regel bei gelöstem Fall stückweise herunterzerren. Und auch auf Amwind-Kurs segelnd sei ein Reffmanöver möglich, wenn durch den Abwind der dichtgeholten Genua und das Fieren des Großsegels der Druck im Tuch abgebaut werde.
Auf vielen kleineren Booten mit herkömmlichen Riggs, vor allem solchen ohne Rollanlagen oder ohne Segellatten im Groß, wie auch auf Multihulls sind diese Arten des Reffens nicht gänzlich unüblich. Mit dem speziellen Rollbaum-System, mit dem die „Escape“, eine CNB 66, ausgerüstet war, jedoch nicht. CNB-Yachts-Repräsentant Arno Kronenberg erklärt:
Ein Reffen vor dem Wind ist auf diesem Schiff nicht möglich”
Kronenberg weiter: “Das Vorliek des Großsegels steckt ohne Rutscher in der Nut vom Mast. Vor dem Wind entstünde daher so viel Reibung und Widerstand, dass ein Reffen, auch mit einer elektrischen Winsch, unmöglich wäre.“
Selbst unter Idealbedingungen, wenn das Boot im Wind steht, ist das Reffen mit einem Rollbaum nicht unkompliziert. Da im Vergleich zu Rollmast oder -genua nicht das Unterliek, sondern das drei- bis viermal so lange Vorliek aufgerollt werden muss, reagieren Rollbäume wesentlich empfindlicher auf den Tucheinlauf. Der richtige Winkel zwischen Mastnut und Rollachse muss eingehalten werden. Sonst würde das Vorliek entweder zu schnell nach achtern wandern oder sich vorn stauen.
Die von einigen Herstellern genannten Winkel von 87 oder 88 Grad sind dabei nur ein Anhaltspunkt. Der exakte Wert variiert von Segel zu Segel und wird während der Installation des Systems anhand von Rollversuchen ermittelt. Anschließend setzt man den Kicker in dieser Position fest. Diese Einstellung sollte ein erfahrener Segelmacher oder Rigger vornehmen. Oft wird ferner ein Dyneemastropp eingespleißt, der das Steigen des Baums begrenzt. Bei starkem Seegang sollte man ihn zusätzlich mit einer Dirk fixieren.
Für sehr große Yachten bietet sich das hydraulische Furlfind-System von Reckmann an. Damit lässt sich der Kicker per Knopfdruck in die programmierte Roll-Position fahren. Vor jedem Rollvorgang muss der Baum dann in diese Grundposition gebracht werden. Dabei ist auch die Einstellung des Achterstags zu beachten. Es beeinflusst die Mastbiegung und damit den Winkel zum Baum. Es sollte vor dem Rollen auf Grundtrimm gebracht werden.
Ein weiterer Punkt, der im Netz diskutiert wurde, ist das mittig im Cockpit platzierte Großschotsystem, dessen Arbeitsbereich bei entsprechenden Segelmanövern zu einer No-Go-Zone wird. Dazu Kronenberg: „Bei Booten dieser Größenordnung muss die Großschot im Cockpit arretiert sein. Dadurch entsteht ein Gefahrenpunkt, an dem man sich bei entsprechenden Manövern nicht aufhalten darf. Sicherheit würde ein Targabügel bringen. Der hätte allerdings zur Folge, dass der Baum weiter nach oben versetzt würde, was mit einem Verlust an Segelfläche und Performance einherginge.“
Hätte das Unglück vermieden werden können?
Eine verklemmte Großschot, eine defekte Winsch oder eine andere Ursache? Was genau der Auslöser war, der die verhängnisvolle Kettenreaktion in Gang setzte, die dem Skipperpaar zum Verhängnis wurde, wird wohl nie geklärt werden. Bei der Bewertung der Wetterlage zum Zeitpunkt des Unglücks gehen die Meinungen der Meteorologen und der überlebenden Besatzungsmitglieder auseinander. Während die Crew sich statt in einer offenbar erwarteten Flaute in einem Sturm mit acht Meter hohen Wellen wähnte, beruft sich das Wetterrouting-Team auf eine exakt vorhergesagte und etwas weniger dramatische Wetterlage, die zudem mit dem Skipper besprochen worden sei und die dieser zu durchfahren gedachte.
Fakt hingegen scheint, dass sich Annemarie A.-F. während des Reffmanövers an einer sehr gefährlichen Stelle im Cockpit aufgehalten hat. Die Großschot auf einem Boot dieser Größe kann zu einer tödlichen Waffe mutieren. Warum der Baum nicht zentriert und fixiert worden war oder ob die Seglerin Probleme hatte, genau dies zu tun, beantwortet der Bericht der Crew nicht. Bleibt als Erkenntnis, dass es auf dem Wasser trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und sorgfältiger Vorbereitung 100-prozentige Sicherheit nicht gibt. Und dass in Stresssituationen Probleme blitzschnell eskalieren können.
Übung und Routine tragen dazu bei, dass Manöver sicher ablaufen. Voraussetzung jedoch ist, dass die an Bord vorhandene Technik auch in Extremsituationen beherrschbar bleibt. Auf großen modernen Yachten mit ihren teils aufwändigen und mächtigen elektrischen und hydraulischen Systemen kann das für eine Fahrtenseglercrew zur Herausforderung werden. Ob dies aber auf das Skipperpaar der „Escape“ zutrifft oder ob es letztlich eine Verkettung unglücklicher und nicht zu beeinflussender Ereignisse war – wir wissen es nicht.
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2019 hatten Volker und Annemarie Frank das Abenteuer ihres Lebens gewagt. Gemeinsam bereiste das Kölner Ehepaar mit seiner Segelyacht „Escape“ die ganze Welt. Nachdem die beiden seit Anfang Juni als vermisst gelten, steht nun fest: Die Abenteurer sind tödlich verunglückt.
Yacht bei Dartmouth in Nova Scotia gefunden
Die gesamte Reise hielt das Ehepaar Frank in dem Blog „sailingescape“ fest. Dort hieß es in einem Beitrag von 8. Juni 2022, der in Hamilton, der Hauptstadt der Bermudas, entstanden ist:„Der erste Tropensturm der Saison, ‚Alex‘, ist auf dem Weg zu uns. So wie es scheint, wird er genau über unser kleines Inselparadies hinwegziehen.“ Tatsächlich war das das allerletzte Update im Netz, bevor Annemarie und Volker in ihr Unglück segelten.
Laut der US-Küstenwache seien sie dann am Morgen des 12. Juni vor der Küste von Massachusetts in den Sturm geraten, der unter anderem einen Mastbruch verursachte und zunächst Annemarie verletzte. Als Volker seiner Frau zur Hilfe eilen wollte, soll auch er schwere Verletzungen davongetragen haben. Zwei weitere Personen, die ebenfalls auf dem Boot waren und offenbar Glück im Unglück hatten, hätten anschließend das Notsignal ausgelöst.
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Zu Beginn ihres Segel-Trips hatten Annemarie und Volker Frank noch geschwärmt: „Wir haben beschlossen, unser Leben auf den Kopf zu stellen und etwas völlig Neues zu wagen. Nun leben wir auf unserer wunderschönen Segelyacht ‚Escape‘ und haben Segeln und Reisen zu unserem Lebensmittelpunkt gemacht.“ (dga)
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Sie hatten Köln 2019 verlassen : Segel-Unfall im Tropensturm! Deutsche Aussteiger tot
Annemarie und Volker Frank ließen 2019 alles hinter sich – und machten ihre Segeljacht zu ihrem neuen Zuhause
Sie lebten den Aussteiger-Traum, bereisten mit ihrer Jacht die Welt. Doch die Reise ihres Lebens bezahlten zwei Kölner Segel-Fans mit ihrem Tod.
Bereits 2019 hatten sich Annemarie und Volker Frank aus ihrer Heimat verabschiedet: Sie kündigten ihre Jobs und traten die „Flucht“ ins Paradies an. Mit der Segeljacht „Escape“ bereiste das Ehepaar die Welt, dokumentierte den Traum-Trip auf einem eigenen Instagram -Kanal und einem Blog. Zum Beginn ihrer Reise schrieben sie:
Wir haben beschlossen, unser Leben auf den Kopf zu stellen und etwas völlig Neues zu wagen. Wir leben auf unserer wunderschönen Segelyacht und haben Segeln und Reisen zu unserem Lebensmittelpunkt gemacht.
Wie erst jetzt bekannt wurde, sind die beiden Deutschen bei ihrer Reise über den Atlantik tödlich verunglückt. Das berichten US-Medien unter Berufung auf die US-Küstenwache. Demnach sei das Boot der beiden vor der Küste von Massachusetts in einen schweren Sturm geraten.
Weiter hieß es, die „Escape“ habe einen Mastbruch erlitten. Zuerst sei Annemarie getroffen und schwer verletzt worden. Danach habe ihr Mann Volker bei einem Rettungsversuch schwerste Verletzungen erlitten. Zwei Begleiter, die auf dem Weg nach Kanada mit an Bord waren, alarmierten daraufhin die Küstenwache per Notsignal. Das Paar sei aufs Festland von Massachusetts gebracht und dort für tot erklärt worden. Den Berichten zufolge ereignete sich das Unglück am 12. Juni, als gerade der Tropensturm „Alex“ über den Atlantik peitschte.
Die alarmierte US-Küstenwache brachte die Verunglückten aufs Festland, wo sie für tot erklärt wurden. Das Boot wurde nach Kanada gezogen und liegt dort bis zum Abschluss der Ermittlungen
Eine Gefahr, um die die beiden Aussteiger wussten. Kurz vor ihrem Aufbruch schrieben sie auf ihrem Blog: „Der erste Tropensturm der Saison, Alex, ist auf dem Weg zu uns. So wie es scheint, wird er genau über unser kleines Inselparadies hinwegziehen.“ Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die Franks auf den Bermudas – und machten sich wenig später auf zu ihrem schicksalhaften letzten Törn.
Wie der „ Focus “ berichtete, fand am Freitag (8. Juli) in Köln die Beisetzung des Ehepaars statt. Annemaries Bruder schrieb an die Leser des Blogs: „Liebe Blogfreunde, uns tröstet Euer Mitgefühl, wir bitten jedoch darum, keine Kommentare und Spekulationen zum Unfallhergang hier zu posten. Zu gegebener Zeit habe ich vor, einen letzten Blogbeitrag zu veröffentlichen.“
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